Zu einem kurzweiligen Vortragsabend hatte der SPD-Kreisverband Main-Spessart vor kurzem Prof. Dr. Klaus Schönhoven in der Stadbibliothek Lohr zu Gast. Der emeritierte Professor für Politische Wissenschaft und Zeitgeschichte sprach in seinem bewegenden Referat über die Schicksale der 120 SPD-Abgeordneten, die 1933 gegen Hitlers Ermächtigungsgesetz gestimmt hatten.
In seinem Werk hat Klaus Schönhoven Einzelschicksale aus der Anonymität geholt, skizzierte in seinem Vortrag aber auch die typischen Fluchterfahrungen nach dem „Nein“ im Reichstag. Zum einen waren die Exilmöglichkeiten aufgrund Hitlers Bündnispolitik mit den unmittelbaren Nachbarn Deutschlands stark beschränkt. Zum anderen erlitten die ehemaligen Abgeordneten und deren Familien mit Beginn des Krieges die Flucht als dauerhaftes Schicksal. Sie wurden zu Weltbürgern wider Willen oder lebten in großer Armut zum Beispiel in der Schweiz, angewiesen auf Almosen der Exil-Organisationen.
In der Nachkriegszeit herrschte großes Schweigen unter den Deutschen zu dem was geschehen war. Scham über das vorgefallene und erlebte Grauen in der Vernichtungsmaschinerie der Nationalsozialisten, aber auch der Widerstand der bürgerlichen Parteien gegen eine Aufarbeitung, ließ viele vom NS-Regime verfolgte Sozialdemokraten rat- und sprachlos zurück. Dazu trug auch die Anwesenheit zahlreicher ehemaliger NS-Funktionäre die für Union und FDP im Bundestag saßen bei, erklärte Schönhoven. Gerade Franz-Josef Strauß‘ Demütigungen gegenüber Willy Brandt wegen dessen Flucht ins Exil trafen den damaligen Bundeskanzler persönlich schwer, berichtete Schönhoven. Als Mitglied der Historischen Kommission der SPD hat der emeritierte Professor zahlreiche hochrangige Parteimitglieder persönlich kenngelernt und gesprochen.
So kam es erst Anfang der 1980er Jahre zu einer Erinnerung und dann traditionellen Besinnung auf den Widerstand der damaligen SPD-Reichstagsabgeordneten. Otto Wels Worte – damals SPD-Partei- und Fraktionsvorsitzende – sind heute feste Bestandteile des Bekenntnisses der Sozialdemokraten zu Menschlichkeit, Gerechtigkeit und Demokratie: „Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht“.
Mit einem Appell zu mehr Wachsamkeit gegenüber Rechtsextremismus und einem Blick in Länder wie Afghanistan, in denen Folter gang und gäbe sind, schloss der SPD-Kreisvorsitzende Sven Gottschalk den Abend und dankte Prof. Schönhoven für einen „unter die Haut gehenden Vortrag“.