Auf Anregung der stellvertretenden Landrätin Pamela Nembach zeigten am Samstag, 18.12.2021, die stellvertretenden Bürgermeister aus Burgsinn, Christian Gutermuth, und Mittelsinn, Dirk Schiefer, ihr und dem Schaippacher Bundestagsabgeordneten Bernd Rützel in einer ausführlichen Ortsbegehung die Schwachstellen im öffentlichen Personennahverkehr im Sinngrund.
Zu dem Termin eingeladen waren auch Bürger:innen aus Burgsinn, die zu Beginn in einem Gespräch den Wegfall der frühesten Bahnverbindung nach Würzburg um 4.57 Uhr seit dem 12. Dezember beklagten, mit dem regelmäßig etwa 15 Pendler:innen zu ihrem Arbeitsplatz gefahren seien. Besonders für Berufstätige, deren Arbeitszeit früh um 6.00 Uhr beginne, sei es derzeit nicht möglich, mit öffentlichen Verkehrsmitteln pünktlich zu ihrem Arbeitsplatz zu kommen. Noch dramatischer schilderte ein Gesprächspartner die Situation seines Sohnes, der Auszubildender bei der Bahn ist und bisher jeden Morgen diesen Zug genommen habe, um rechtzeitig nach Nürnberg zu seinem Ausbildungsplatz zu kommen. „Entweder bekommt er jetzt, nach dem Wegfall der Verbindung, von seinem Ausbilder eine Sondererlaubnis regelmäßig später anfangen zu können oder er muss sich in Nürnberg ein Zimmer suchen“, empörte sich der Vater. Rützel, der selbst gelernter Eisenbahner ist, wies darauf hin, dass die Folge solcher Entscheidungen ist, dass die Bahn nicht den Umstieg vom PKW auf den ÖPNV fördere, sondern sich genau der gegenteilige Effekt einstelle. „Hier werden jetzt sicherlich einige auf das Auto umsteigen – ein Entwicklung die vollkommen unserer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe zuwiderläuft, das Klima zu schützen. Wenigstens den Status Quo muss die Bahn aufrecht erhalten.“ Auch die etwa 40 Minuten spätere Verbindung nach Gemünden habe ihre Tücken, so Schiefer. „Die Fahrgäste haben dann gerade mal 6 Minuten, um nach Würzburg umzusteigen. Bei Verspätungen ist der Anschlusszug dann weg und man kommt noch später zur Arbeit.“
Doch nicht nur der Fahrplanwechsel der Bahn sorgt für Unmut im Sinngrund. Gerade in Obersinn habe sich die Situation dramatisch verschlechtert, beklagte Lioba Zieres, 1. Bürgermeisterin des Ortes, die die Delegation im Anschluss im Leo-Weismantel-Museum empfing. „Täglich versuche ich Lösungen für die Menschen im Ort zu finden, die seit September eine deutlich schlechtere Busverbindung haben. Obersinn wird kaum noch angefahren, aber immerhin konnten wir erreichen, dass zusätzlich zu den Schulbussen nun morgens noch ein weiterer Bus nach Burgsinn fährt.“ Das Landratsamt begründe den veränderten Fahrplan mit der Anbindung Obersinns an den Schienenverkehr, „aber“, so Zieres, „entscheidend ist eigentlich die Erreichbarkeit von Jossa, eine Verbindung, die über Jahrzehnte bestanden hat und nun eingestellt worden ist.“ Sie schilderte das Problem eines Mannes mit Beinprothese, der nun kaum noch selbständig seinen Arzt in Bad Brückenau erreichen könne. Als sie dieses Beispiel gegenüber dem Landratsamt geschildert habe, sei ihr geraten worden, der Mann müsse sich einen Arzt in Burgsinn suchen. „Leider gibt es dort aber einen Aufnahmestopp für neue Patienten“, erläuterte Zieres. Nembach zeigte sich überrascht von der Information, dass die Busverbindungen in Obersinn derart reduziert worden seien. „Hier müssen wir noch einmal genauer nachhaken – schließlich hat der Landkreis die Federführung für den ÖPNV übernommen, um eine solide Versorgung für die Menschen im Landkreis zu sichern. Der ÖPNV ist sicherlich ein hoher Kostenfaktor für den Kreisetat – aber Mobilität ist kein Luxusgut, sondern gehört zur Grundversorgung.“
Selbst wenn Bürger:innen in Obersinn vom Bus auf die Bahnverbindung umsteigen würden, ergäben sich am Bahnhof in Burgsinn dann weitere Probleme für Menschen mit körperlichen Einschränkungen oder Eltern mit Kinderwagen, ergänzte Gutermuth. „Seit Jahren kämpfen wir dafür, dass die Bahn im Zuge der Sanierung des Bahnhofs in Burgsinn in vier Jahren auch einen barrierefreien Zugang zu den Bahnsteigen baut. Im Moment stehen die Menschen vor einer langen Treppe, die sowohl für Menschen im Rollstuhl, als auch für Radfahrer:innen oder Eltern mit Kinderwagen ein schier unüberwindliches Hindernis darstellt.“ Selbst eine von Gutermuth und Zieres erfolgreich durchgeführte Unterschriftenkampagne, die mehr als 1000 Unterstützer:innen fand, konnte die Bahn bisher nicht zum Einlenken bewegen, was bei allen Anwesenden auf Unverständnis stieß. „Etliche Runde Tische haben wir inzwischen organisiert“, so Rützel, „und die Fortschritte bleiben marginal. Während in Hessen der barrierefreie Ausbau auch kleiner Bahnhöfe in Angriff genommen wird, beruft man sich in Bayern auf die Fahrgastzahlen, um sich aus der gesellschaftlichen Verantwortung zu schleichen.“
Abschließend bedankte sich Nembach bei den Verantwortungsträger:innen vor Ort: „Mir war wichtig, ein klares Bild von den Gegebenheiten zu bekommen, denn im Sinngrund führt die Anbindung an den ÖPNV mit Bus und Bahn zu komplexen Fahrplänen und unterschiedlichen Zuständigkeiten. Mir erscheint es wichtig, dass sich hier auch die Kommunikation zwischen der BEG und dem Landratsamt verbessert.“ Der Landkreis müsse sich selbstverständlich darum kümmern, den Menschen in Main-Spessart Mobilität ohne PKW zu gewährleisten, aber die Bahn stehe hier mindestens im selben Umfang in der Pflicht.